Der Fall
Der Kläger hatte 1993 das Grundstück von seiner Großtante geerbt. Ab 2008 wurde dieses Grundstück zwangsversteigert. 2010 erhielt die Beklagte den Zuschlag, ließ das auf dem Grundstück bestehende Wochenendhaus abreißen und ein neues Wohnhaus errichten, das sie seit 2012 bewohnte.
Im Jahr 2014 ließ der – mittlerweile in der Schweiz lebende amerikanische – Eigentümer (Kläger) den Zuschlagsbeschluss aufheben, weil er erst zu diesem Zeitpunkt von der Zwangsversteigerung erfahren hatte.
Der Kläger klagte auf Grundbuchberichtigung, Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Abriss des Hauses, Nutzungsersatz und Löschung der Grundschuld.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verurteilte die Beklagte zur Grundbuchberichtigung sowie zur Räumung des Grundstücks und zum Abriss des Hauses. Zudem wurde eine Nutzungsentschädigung festgesetzt und die Löschung der Grundschuld angeordnet.
In seiner Revision entschied der BGH, dass diese Entscheidung nur teilweise Bestand hatte und wies den Fall zur weiteren Prüfung zurück. In seiner Entscheidung stellte der BGH einige wesentliche Punkte klar:
Eigentumsverhältnisse
Der BGH bestätigte, dass der Kläger durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses wieder Eigentümer des Grundstücks wird. Der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren führte zwar zum originären Erwerb des Eigentums durch die Beklagte, aber mit der Aufhebung dieses Zuschlagsbeschlusses erlangte der Kläger das Eigentum rückwirkend zurück.
Zurückbehaltungsrecht
Da die Beklagte aber als Besitzerin erhebliche Aufwendungen, nämlich Abrisskosten und die Kosten für den Hausbau getätigt hatte, steht ihr – laut BGH – ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Beklagte muss die Grundbuchberichtigung und die Räumung des Grundstücks also nur dann durchführen, wenn sie für ihre Aufwendungen (wie den Neubau des Hauses) eine Entschädigung erhält.
Verwendungsbegriff
In der wegweisenden Entscheidung änderte der BGH seine bisherige Rechtsprechung und erkannte nun einen „weiten Verwendungsbegriff“ des § 996 BGB an: Der Gesetzestext des § 996 BGB knüpft die Ersatzpflicht an den Begriff der „Nützlichkeit“. Bisher gewährten die Gerichte nur dann einen Ersatzanspruch, wenn z.B. das errichtete das Haus dem Eigentümer „nützte“, was subjektiv ausgelegt wurde. Das hat der BGH nunmehr geändert, in dem nunmehr auch Aufwendungen des Besitzers, die die Sache grundlegend verändern (z. B. der Abriss eines alten Gebäudes und der Neubau eines Hauses), als Verwendungen im rechtlichen Sinne gelten und somit zu einem Ersatzanspruch gemäß § 996 BGB führen können.
Nützlichkeit der Verwendung
Der BGH stellte klar, dass die Nützlichkeit der Verwendung nicht vom subjektiven Nutzen für den Eigentümer abhängt. Entscheidend ist vielmehr die objektive Erhöhung des Verkehrswerts der Sache durch die Verwendung.
Abriss des Hauses
Der Kläger kann nicht den Abriss des zwischenzeitlich errichteten Hauses verlangen, da der gutgläubige Besitzer (die Beklagte) besonderen Schutz genießt. Diese hatte im Vertrauen auf die Ordnungsmäßigkeit des Zwangsversteigerungsverfahrens die Immobilie erworben. Dass das Gericht sich nicht ausreichend um die Ermittlung der Anschrift des im Ausland lebenden Eigentümers gekümmert hatte, war der Beklagten nicht zuzurechnen.
Löschung der Grundschuld
Die Verurteilung zur Löschung der Grundschuld wurde ebenfalls aufgehoben. Die Beklagte hatte durch die Verfügung über das Grundstück die Grundschuld nicht „erlangt“, sondern lediglich zur Sicherung ihres Darlehens eine Belastung eingetragen, was den Anspruch auf Löschung unzulässig machte.
Rechtliche Einschätzung
Die Entscheidung des BGH stellt eine wichtige Neuerung im Zwangsversteigerungsrecht dar, insbesondere durch die Einführung des „weiten Verwendungsbegriffs“. Dieser bedeutet, dass auch grundlegende bauliche Veränderungen wie der Abriss eines Hauses und der Neubau als „Verwendungen“ anerkannt werden.
Das wiederum hat Auswirkungen auf den Anspruch der Beklagten auf Verwendungsersatz und das Zurückbehaltungsrecht. Die Grundbuchberichtigung und Räumung kann deshalb nur gegen Zahlung des Verwendungsersatzes verlangen werden.
Für das Mietrecht könnte diese Entscheidung auch Relevanz haben, insbesondere wenn Mieter größere Investitionen in ein Mietobjekt tätigen. Der BGH schafft damit eine breitere Grundlage für Entschädigungs- oder Ersatzansprüche im Zusammenhang mit Investitionen, die den Wert von Immobilien steigern.
Streit um Immobilien ist meistens teuer – und im Zweifelsfall existenzbedrohlich. Lassen Sie sich lieber vorher beraten und sparen Geld und Nerven.
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